
Ein Zuhause für Kinderbücher – Zu Besuch bei Edition Pastorplatz
Zu meinem Interview mit Edition Pastorplatz bin ich zu früh. Ich habe den gerademal zweiminütigen Weg zu dem Kinderbuchverlag überschätzt und stehe deshalb schon 5 Minuten zu früh vor den Türen des Verlags, wo gerade eine Spedition vorfährt. Mele Brink und Bernd Held begrüßen mich trotz meines verfrühten Auftauchens freundlich. Während Bernd noch mit der Spedition spricht, unterhält sich Mele mit mir über die Folgen der Covid-19-Pandemie für ihren Kinderbuchverlag Edition Pastorplatz. „Das merkt man schon.“, sagt Mele, „Die ganzen Messen wurden abgesagt. Außerdem ist es gerade bei Kinderbüchern irgendwie von Nöten, dass die Menschen, die Bücher in die Hand nehmen. Das Habtische ist total wichtig. Wenn man das Buch im Original nicht vor sich hat, dann greift man eher zu den Klassikern, die man halt kennt. Und da gerade alles zu hat, kann man in Buchhandlungen schlecht Bücher in die Hand nehmen.“ Dann setzt sich Bernd zu uns und das Interview kann beginnen.
Mele Brink und Bernd Held sprechen im Interview mit CREATOPIA über ihren Kinderbuchverlag, das Verlagswesen innerhalb und außerhalb der Euregio und die Besonderheiten ihrer Kinderbücher.
Interview mit Edition Pastorplatz

Wer seid ihr eigentlich?
Mele Brink: Ich bin Mele Brink und habe an der RWTH Architektur studiert. Heute bin ich allerdings vor allem als Illustratorin tätig und natürlich hier im Kinderbuchverlag.
Bernd Held:Ich habe so einiges gemacht, bevor ich mich dann endgültig für Grafikdesign und das Büchermachen entschieden habe. Ich wollte allerdings schon immer Design studieren, und wurde zunächst nicht angenommen. Deshalb begann ich erstmal in Jülich ein Ingenieursstudium, bevor ich dann doch zu einem Designstudium in Aachen gewechselt bin.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Verlag zu gründen?
Bernd Held (lacht): Da war schon das ein oder andere Gläschen Sommerwein im Spiel. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon unser gemeinsames Atelier und haben uns dann entschlossen den Verlag zu gründen.
Mele Brink: Wir haben mit Cartoons angefangen. Zwischen 2011 bis 2016 verlegten wir zunächst vornehmlich, dann neben den Kinderbüchern die Cartoons. Dann wurde uns aber irgendwann mal ein Kinderbuch Manuskript zugeschickt und wir haben uns dazu entschieden mit den Kinderbüchern weiterzumachen. Seit 2014 verlegen wir deshalb vor allem stark bebilderte Kinderbücher für Kinder zwischen 3 und 10 Jahren.
Bernd Held: Cartoons und Kinderbücher werden ganz unterschiedlich vermarktet und vertrieben. Deshalb haben wir uns schließlich dazu entschieden uns auf Kinderbücher zu spezialisieren. Hier haben wir uns in den letzten Jahre eine gewisse Expertise aufgebaut. Außerdem verkaufen sich Cartoons leider heutzutage nicht mehr gut. Es gibt nur noch sehr wenige Verlage, die überhaupt noch Cartoons verlegen.
Als ihr den Verlag gegründet habt, habt ihr euch in so einiges einarbeiten müssen. Erzählt, wie ihr euch in dieses große, neue Thema „Buchhandel“ eingearbeitet habt!
Mele Brink: Da kam tatsächlich zunächst sehr viel Neues auf uns zu. Wir hatten uns zuvor zwar bereits beide selbstständig gemacht, aber der Buchhandel war dann doch ein völlig neues Thema. Von der Auslieferung über die Produktion bis hin zur Vermarktung – wir haben uns überall einarbeiten müssen. Auch zu wissen, in welchen Zeitungen die Bücher mal besprochen worden sein sollten und wie man an die entsprechenden Buchblogger kommt, ist eine Aufgabe für sich.
Bernd Held: Ehrlich gesagt lernen wir von Jahr zu Jahr immer noch mehr dazu. Stell dir vor: Jedes Jahr kommen ca. 90.000 neue Bücher auf den Markt. All diese Bücher sollen im besten Falle in großer Stückzahl verkauft werden. Insbesondere Kinderbücher sind in der Produktion sehr teuer, sodass hier eine gewisse Menge verkauft werden sollte, damit sich die Produktionskosten rechnen. Wie wir das am besten schaffen und wie wir uns gegen Konkurrenz durchsetzen können – das lernen wir bis heute noch.
Wie wählt ihr gute Manuskripte aus?
Mele Brink: Wir bekommen natürlich viel mehr Manuskripte eingeschickt, als wir verlegen können. Aufgrund der Corona Pandemie sind es sogar noch viel mehr. Im Moment erhalten wir bis zu drei Manuskripte am Tag. Damit wir das Manuskript zu einem Buch machen, muss es mindestens einen von uns beiden richtig gut gefallen. Außerdem guckt eine Buchhändlerin für uns auch noch einmal über die Manuskripte.
Wir hatten einmal einen Fall, da waren wir beide begeistert von den Illustrationen eines eingesendeten Manuskripts. Wir haben das Manuskript dann an die besagte Buchhändlerin gegeben und diese und hat uns die Rückmeldung gegeben: „Ja, die Illustrationen sind großartig. Aber die Geschichte ist ein besserer Schulaufsatz.“
Bernd Held: Wir kommen beide aus dem grafischen Bereich. Die Geschichten sind deshalb für uns teils einfach nur Beiwerk. Deshalb ist es gut, dass jemand für uns auch noch einmal aus der Perspektive der Buchhändlerin die Manuskripte bewertet.
Wer veröffentlicht bei euch?
Mele Brink: Wir erhalten sehr viele Erstlingswerke. Auch Abschlussarbeiten von einem Designstudium sind manchmal dabei. Aber auch gestandene Kinderbuchautoren veröffentlichen teilweise bei uns, deren Werke einfach nicht glatt genug für die großen Verlage sind.
Bernd Held: Wir scheuen uns nicht davor auch skurrile Geschichten zu veröffentlichen, die eine Art von Humor haben, der vielleicht nicht bei der großen Masse ankommt. Diese Bücher werden dann vielleicht nicht in der größten Stückzahl verkauft, aber sie dürfen so bleiben wie sie sind.
Mele Brink: Die Autoren oder eher Autorinnen leben meist nicht nur von den Büchern. Viele sind haupt- oder nebenberuflich noch als etwas anderes tätig. Aber das Buch kann ein Aufhänger sein, um von Lesungen und allem was Drum und Dran passiert, leben zu können.
Würdet ihr sagen, es gibt etwas, was die Bücher, die ihr für euren Verlag auswählt, verbindet?
Bernd Held: Jemand hat mal zu uns gesagt, dass viele unserer Bücher eine Wendung am Ende haben. Die Geschichte geht die ganze Zeit geradeaus und kurz vor dem Ende biegt sie ab. Scheinbar suchen wir ganz intuitiv genau solche Geschichten aus.
Mele Brink: Außerdem ist uns beiden Humor sehr wichtig. Unsere Bücher haben immer eine gewisse Art von außergewöhnlichen Humor.
Aachen ist nicht als die Literaturmetropole bekannt. Warum habt ihr gerade in Aachen einen Verlag gegründet?
Bernd Held: Das hatte keinen speziellen Grund. Ich glaube wir sind einfach irgendwie hier hängengeblieben.
Mele Brink: Mittlerweile bin ich auch schon länger in Aachen, als ich je woanders war und mich hat es auch nie in die großen Metropolen gezogen.
Der Standort des Verlags hat sich also eher zufällig entwickelt. Bekommt ihr denn vermehrt Manuskripte von hier ansässigen Autoren zugeschickt?
Mele Brink: Überhaupt nicht. Unsere Autoren sind über ganz Deutschland verteilt. Natürlich ist mal das ein oder andere Manuskript aus Aachen dabei, aber ich meine im Moment verlegen wir nur Autoren, die nicht aus Aachen kommen.
Verkauft ihr vermehrt an Aachener Buchhandlungen?
Bernd Held: Ganz im Gegenteil. Wir haben überall in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich Bücher verkauft, nur hier in Aachen nicht. Wahrscheinlich liegt das daran, dass Aachener Buchhändler aus irgendeinem Grund glauben, dass ein Aachener Verlag nichts Ordentliches zustande bringen kann. Manche verkaufen zwar mittlerweile unsere Bücher, aber die haben sie dann nicht von uns direkt, sondern über irgendwelche Umwege.
Mele Brink: Es ist mittlerweile etwas besser geworden, aber insbesondere am Anfang wollten die Aachener tatsächlich nichts von uns wissen. Das scheint aber auch in anderen Branchen ein Problem zu sein. Ich habe schon von Aachener Schauspielern gehört, die erst woanders hingehen und wiederkommen mussten, um hier gut anerkannt zu werden.
Würdet ihr sagen als Kreativer, Buchhändler, Verlag oder auch Autor lohnt es sich dennoch in der Euregio zu leben?
Bernd Held: Es kann hier für kreative Menschen schon ganz nett sein. Auch wenn die Menschen vielleicht nicht auf Anhieb etwas mit der Kreativszene anfangen können, genießt der Kreative doch eine ganz gute Stellung. Außerdem hat die Euregio echt viele Kreative und eine gute Kreativlandschaft. Kurz: Man kann in Aachen als Kreativer schon was machen, wenn man den Aachener Dünkel einfach weglässt.
Mele Brink: Außerdem ist es schon schön die Niederlande und Belgien in unmittelbarer Nähe zu haben. Für uns als Verlag ist das natürlich teils etwas schwierig, da wir nur in die eine Richtung verkaufen. Früher gab es auch Kooperationen und Initiativen über die Grenzen hinweg. Mittlerweile hat sich das allerdings aufgelöst.
Bernd Held: In Aachen fehlt es leider an einer Verlagsszene. In den großen Metropolen gibt es Stammtische und man ist allgemein besser vernetzt. Das gibt es hier nicht. Deswegen sind wir auch auf so vielen Messen unterwegs. Zum einen hat das einen großen Marketingeffekt, zum anderen kann man sich insbesondere auf Messen hervorragend mit anderen Mitgliedern dieser Branche vernetzen.
Zum Schluss noch einmal die Frage, um die man in den Jahren 2020/2021 wohl nicht herumkommt: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf euch?
Mele Brink: Neben den finanziellen Einbußen aufgrund des geschlossenen Buchhandels, fehlen vor allem die schon erwähnten Messen. Normalerweise sind wir das ganze Jahr über in ganz Deutschland auf den verschiedensten Messen unterwegs. Ob es große Messen in den großen Metropolen, wie Frankfurt oder Hamburg sind, oder ganz kleine in ganz kleinen Dörfern. Das fällt alles weg.
Bernd Held: Das fehlt tatsächlich. Insbesondere die kleinen Messen in kleinen Dörfern sind immer besonders schön. In den großen Städten geht eine Buch- oder Verlagsmesse einfach unter. In einem Dorf kommen dann aber wirklich alle, weil das so etwas besonderes ist. Wir freuen uns darauf, wenn das wieder möglich ist.